für die Quantenphysiker....

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Andromedaner

Betreff: [idw] Anzeichen für Quark-Gluon-Materie identifiziert


Informationsdienst Wissenschaft - idw - - Pressemitteilung
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, 30.10.2003

Anzeichen für Quark-Gluon-Materie identifiziert

Am Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg ergibt
eine Modellanalyse Hinweise auf die Erzeugung des elusiven
Quark-Gluon-Plasmas


Am Institut für Theoretische Physik der Universität Heidelberg ergibt
eine Modellanalyse im Verbund mit Daten von Gold-Gold-Stößen Hinweise
auf die Erzeugung des elusiven Quark-Gluon-Plasmas [G. Wolschin, Phys.
Lett. B 569, 67 (2003)]. Komplementäre Messungen von
Deuteron-Gold-Reaktionen am Schwerionen-Collider RHIC in Brookhaven
erhärten den Befund solcher Signaturen für die kurzzeitige Bildung von
Quark-Materie in Reaktionen zwischen schweren Ionen.

Ausgehend von frühen Experimenten am Bevalac-Beschleuniger des Lawrence
Berkeley Nationallaboratoriums in Kalifornien über Versuche mit
Bleistrahlen am Protonensynchrotron SPS des CERN in Genf bis hin zu 2000
gestarteten Experimenten mit Goldstrahlen am Schwerionen-Collider RHIC
in Brookhaven (USA) suchen Physiker schon fast 30 Jahre nach Anzeichen
für Quark-Materie. Wenngleich das CERN vor Beginn der RHIC-Strahlzeiten
die Öffentlichkeit über einige solche Indizien wie die Reduktion bei der
Erzeugung von J/Psi-Mesonen in Kenntnis setzte, ließen sie dennoch
genügend Spielraum für Untersuchungen am RHIC bei wesentlich höheren
Energien.

Quark-Gluon-Materie ist nicht nur als Forschungsobjekt experimenteller
und theoretischer Teilchenphysik von großem Interesse. Sie ist auch bei
Untersuchungen der Frühzeit unseres Universums von erheblicher
prinzipieller Bedeutung: Sekundenbruchteile nach dem Urknall war sie
nach heutigen kosmologischen Vorstellungen im heißen, dichten Universum
die Urform der Materie. Die Temperaturen waren so hoch, dass sich
Neutronen und Protonen - die Hauptbestandteile der Materie - noch nicht
aus Quarks und Gluonen bilden konnten.

Im weiteren Verlauf der Entwicklung und Abkühlung unseres inzwischen
13,7 Milliarden Jahre alten Universums gibt es nach heutigem
Kenntnisstand nur zwei Möglichkeiten, diese exotische Materieform erneut
zu erzeugen: Bei den sehr hohen Drücken im Innern von Neutronensternen -
und in Stößen schwerer Kerne bei hohen (relativistischen) Energien. Nur
letztere sind Laborexperimenten zugänglich. Wegen der raschen zeitlichen
Entwicklung ist es dort allerdings extrem schwierig, wenigstens einen
Teil des Systems in einen statistischen Gleichgewichtszustand zu
versetzen, wie er im frühen Universum herrschte. Ein solches "lokales"
Gleichgewicht ist aber wichtige Voraussetzung für die Bildung der
Quark-Gluon-Materie. In diesem Plasma sind die Temperaturen einige
hunderttausend mal höher als die heutige Zentraltemperatur der Sonne von
etwa 16 Millionen Kelvin, die Energiedichte ist etwa 30mal größer als in
gewöhnlichen Atomkernen. Das sind Bedingungen, die denen im frühen
Universum vergleichbar sind.

Eine jetzt am Institut für Theoretische Physik der Universität
Heidelberg durchgeführte Analyse der Kollisionen von Gold-Kernen bei
einer Schwerpunktenergie von 200 Milliarden Elektronenvolt pro Teilchen
ergibt im Verbund mit den Daten vom RHIC deutliche Hinweise, dass einige
der aus Quarks und Gluonen aufgebauten Kernbausteine (Protonen und
Neutronen) in der kurzen Wechselwirkungszeit von etwa 10^-23 Sekunden
tatsächlich zunächst in ihre Bestandteile zerlegt werden, so dass ein
lokales Quark-Gluon-Plasma im thermodynamischen Gleichgewicht entsteht -
und erst am Ende der Reaktion die Quarks und Gluonen wieder
hadronisieren, also im Detektor nachweisbare "normale" Teilchen bilden.

Nach Indizien für eine Plasmabildung in zentralen Stößen kann man sowohl
in transversalen Variablen wie den Impulsverteilungen der in der
Reaktion erzeugten Teilchen senkrecht zur Strahlrichtung, als auch in
"longitudinalen" Variablen wie den Geschwindigkeitsverteilungen in
Strahlrichtung suchen. So könnte die am RHIC gefundene reduzierte
Erzeugung von Quarks bei großen Transversalimpulsen ("Jet Quenching":
jeweils eines von zwei Rücken-an-Rücken ausgesandten Quarks wird im
Quark-Gluon-Plasma absorbiert, das andere löst einen nachweisbaren
Teilchenjet aus) auf Plasmabildung hinweisen. Dafür ergibt neuerdings
der Vergleich der Gold-Gold-Stöße mit Reaktionen zwischen Gold und den
wesentlich kleineren Deuterium-Kernen deutliche Hinweise, bei denen
keine Unterdrückung der Teilchen-Jets bei hohen Transversalimpulsen (und
demnach kein Hinweis auf Quark-Gluon-Materie) gefunden worden ist: Das
leichte Deuteron durchquert den schweren Goldkern, ohne die Materie in
einem ausgedehnten Raumbereich stark genug aufzuheizen, um messbare
Mengen an Quarkmaterie zu bilden [siehe vier Publikationen der
RHIC-Kollaborationen: Physical Review Letters 91, 072302/3/4/5 (2003)].

Die hier vorgestellte Analyse [G. Wolschin, Phys. Lett. B 569, 67]
konzentriert sich dagegen auf die "longitudinalen" Variablen im schweren
System Gold+Gold. Sie beruht auf einem in Heidelberg entwickelten und
von Kollaborationen in Japan, Italien und Polen aufgegriffenen oder
wenig später unabhängig entworfenen nichtgleichgewichts-statistischen
Modell, dem Relativistischen Diffusionsmodell. An der Reaktion sind
vergleichsweise viele Teilchen beteiligt (Gold hat 197 Kernteilchen,
davon 79 Protonen), und zusätzlich werden aus der zur Verfügung
stehenden relativistischen Energie sehr viele Quarks und Gluonen
erzeugt, aus denen sich bei der so genannten "Hadronisierung" etwa 4600
geladene Teilchen neu bilden. Man verzichtet deshalb auf eine
Beschreibung des individuellen Verhaltens jedes einzelnen Teilchens und
betrachtet statt dessen die mittlere zeitliche Entwicklung aller
Teilchen einer bestimmten Sorte als Funktion der Zeit, und die
dazugehörigen Schwankungen. Für genügend lange Zeiten würden sie alle
das statistische Gleichgewicht erreichen. Ob die Reaktionszeit dafür
ausreicht, müssen die Daten entscheiden.

Am Collider RHIC wetteifern die vier internationalen Kollaborationen
BRAHMS, PHENIX, PHOBOS und STAR um die beweiskräftigsten experimentellen
Resultate. Der theoretischen Analyse liegen Daten der
BRAHMS-Kollaboration zugrunde. Sie beziehen sich auf die Anzahl der
Netto-Protonen (Protonenzahl minus in der Reaktion erzeugte
Antiprotonenzahl) als Funktion der so genannten Rapidität. Diese
bezüglich einer Lorentz-Transformation invariante Messgröße tritt bei
relativistisch bewegten Teilchen an die Stelle der Geschwindigkeit.

Nahe den Rapiditätswerten der beiden Goldstrahlen hat die Verteilung
jeweils ein Maximum. Die Verbreiterung infolge Diffusion durch
Wechselwirkung mit anderen Teilchen und durch Erzeugen neuer Teilchen
wird durch das Modell beschrieben. Bei der niedrigeren SPS-Energie gibt
es die Daten sehr gut wieder, liefert aber noch keine Hinweise auf
Quark-Gluon-Materie.

Bei der höheren RHIC-Energie liegen die Messpunkte nun jedoch im Bereich
mittlerer Rapiditäten (vergleichsweise langsam in Strahlrichtung bewegte
Teilchen) deutlich über der theoretischen Erwartung für den
Nichtgleichgewichtsfall. Sie lassen sich unter der Voraussetzung
reproduzieren, dass etwa 14 Prozent der Teilchen in der Reaktion sehr
rasch lokales statistisches Gleichgewicht erreichen. Der Übergang zu
dieser lokalen Gleichgewichtsphase ist diskontinuierlich und hat
insofern die von einem Phasenübergang erwarteten Eigenschaften. Eine
solche abrupte Annäherung an das statistische Gleichgewicht ist möglich,
wenn bei den in zentralen Stößen erreichten hohen Drücken und
Temperaturen die Nukleonen ihre Konstituenten kurzzeitig freisetzen und
dadurch die Zahl der verfügbaren Freiheitsgrade vervielfacht wird - man
spricht in diesem Zusammenhang von "Deconfinement", dem kurzzeitigen
Freisetzen von Teilchenbestandteilen - hier Quarks und Gluonen.

Das Ergebnis für zentrale Gold-Gold-Stöße lässt sich demnach als
(zeitlich) intermediäre und (räumlich) lokale Bildung von
Quark-Gluon-Materie interpretieren. Noch direktere Anzeichen für den
Übergang zu diesem seltenen und unter Laborbedingungen extrem
kurzlebigen Materiezustand werden nur schwer zu finden sein, zumal es
nach heutigem Erkenntnisstand keine freien Quarks gibt. Im Rahmen der
möglichen Indizienbeweise liefert jedoch die Analyse der BRAHMS-Daten
einen recht weit gehenden Hinweis, dass bei RHIC-Energien der exotische
Materiezustand kurzzeitig erzeugt worden ist. Ihn genauer zu
untersuchen, ist eine wesentliche Aufgabe der kommenden Strahlzeiten am
Schwerionencollider RHIC, und ab 2007 am Large Hadron Collider LHC des
CERN.

Weitere Informationen finden sich unter
http://wolschin.uni-hd.de

allgemeine Rückfragen von Journalisten auch an:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317
michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de



Weitere Informationen finden Sie unter:
http://wolschin.uni-hd.de


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Andromedaindianer
Wortlos: :up:

"Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit,
aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher."

http://www.ferkelprotest.de/
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Guest user
Hallo,

erstmal durchlesen… :)
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Andromedaner
Na..
Interessant…
aber ich dachte die können schon lange ein quark-gluonen-plasma erzeugen…
etwa set es die ersten geschaft haben protonen zu zerlegen…

mfg

Nicolas Ziob

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